heldart

#06 Michael Kunze “Vollendung”
heldart, kuratiert von Michael Kunze

Vollendung 

Jeder Anwesende der Grenzstation weiß jetzt, welche Rolle er bei der Hochzeit zu spielen hat. Taufe, Drogenumschlag und Totenfahrt sind Momente der zugehörigen Feierlichkeiten. Was gleichsam als die einfache Lösung eines schier endlosen Dechiffriervorgangs erscheint, lässt bis in die Einzelschleife eine größere Fügung erkennen:

Die feuchte Quelle pervertiert. Eine nervöse Nase erfasst Dinge, die in der Luft liegen. Normalität wird zum Inhalt eines Abkommens mit ungültigen Unterschriften, während sich überall da Erwartungshaltungen einschleichen, wo sich ein Glücksritter von ironischen Gnaden eine Pause bei der Brautschau erlaubt.


Schließlich sind die Polaritäten so prägnant, dass es zum Showdown kommen muss: Der noch unausgewiesene Spielteilnehmer erkundigt sich in der Zeitung über die aktuelle Wetterlage und erhält dabei aus spätester Zeit eine Freikarte, auf welcher der Tag der Vermählung verzeichnet ist, der die Wissenschaft etwas kosten wird.
Bezahlt, getan!

Wo das Missverhältnis zwischen Rittertum und Schlendrian überhand nimmt, bildet sich über kurz oder lang eine neue Gemeinschaft um den Bruchstrich. Abgesehen davon, dass Vorder- und Rückseite der Münze ohnehin nicht mehr zu unterscheiden sind, geht es jetzt darum, am Ufer des Acheron jene Lebensgeister zu überlisten, die ohne viel Aufhebens das Wort des Wissenden über eine schräge, aber unteilbare Einheit verwirklichen.

Niemand in der Hoffnungsindustrie kann den aufgebundenen Bären mehr bändigen, denn nur wer das Steuer einmal loslässt, kann erfahren, ob er es jemals in der Hand hielt! – Wer den Kurs nur noch Pi mal Daumen hält, der verfehlt jetzt die Schnapszahl seines Lebens.
Und während unter der Gewitterschicht die Hochzeitsgäste sich noch uneins sind, ob auch die Deppen zur Familie gehören, hat sich der geflügelte Wächter längst über die zu bewachende Grenze hinweggesetzt und auf dem Schlachtfeld seiner Amazonen das blutige Freudentuch gehisst. So weit so gut! – spricht der Ironiker des Schicksals, der immer schon beim Zuviel des Guten als der deus ex machina erschien. Er legt die Zeitung auf den Tisch und geht.

(Michael Kunze)

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