Beide Künstler zerlegen ikonographische Figuren von Animationsfilmen und öffnen einen assoziativen Zugang zu bekannten Elementen aus der Massenkultur. Gleichzeitig erforschen sie damit auch die Einwirkung auf den Betrachter. Bekanntes wird konsequent zerstückelt und zerhackt und zu einer unbekannten, anderen Welt dekodiert. Genauer noch: man scheint etwas zu erfahren, das zwischen den allgemein bekannten Welten lebt.
Die Filme von Arnold verdichten die Eindringlichkeit eines Standbildes exakt im intensivsten Moment einer Szene und verlängert das Unbehagen des Augenblicks in eine nachhaltige Erinnerung.
Herreras’ Standbild macht genau das Gegenteil; es entäussert sich in das Unbewusstsein des Betrachters hinein und animiert dort eine Narration mit endlosen Storymöglichkeiten.
ARTURO HERRERA
Arturo Herreras vielschichtige Arbeit besteht aus Collagen, Photographien, Filzstücken und Wandarbeiten. Die daraus entwickelte Sprache ist fragmentiert und benutzt Referenzen aus Popkultur und Kunstgeschichte, die die inhärente Narration dekontextualisiert ohne die kodierte Referentialität des Images auszulöschen. Die daraus resultierenden Arbeiten verschieben sich zwischen dem Expliziten und Impliziten. Die Bedeutungsebenen bewegen sich geschmeidig durch die Ambiguität von figurativen und abstrakten Formen hindurch.
Arturo Herrera ist in Caracas, Venezuela geboren und lebt in Berlin. Herreras’ Einzel- und projektbezogenen Ausstellungen wurden gezeigt in: Ikon Gallery, Birmingham, UK; The Art Institute of Chicago; daad galerie, Berlin; CGAC, Santiago de Compostela; Art Gallery of Ontario; ICA Philadelphia; The UCLA Hammer Museum, Los Angeles; MoMA, NY; and the Renaissance Society of the University of Chicago
MARTIN ARNOLD
Die Cartoons von Martin Arnold sind mit einem starken archäologischen Impuls kodiert. Sie demontieren das Verhältnis von Technologie und Technik, das die dominante Ästhetik und Produktionsweise von Animationsfilmen des 20. Jahrhunderts bestimmte. Die Methode nennt er “de-celing cel animation.”[i] Die Entwicklung dieser “cel animation” ökonomisierte und rationalisierte die Arbeitsbedingungen. Kristin Thompson erklärt den Prozess als “ein Trennen von Teilen einer Zeichnung in verschiedene Layers, um sich so die Notwendigkeit eines mehrmaligen Zeichnens der gesamten Komposition für jede Bewegungsphase einer Bewegung zu vermeiden.” So sind beispielsweise ein Rüssel, Gesichtsmaske, Gliedmaßen oder Mund und Zunge eines Charakters auf unterschiedlichen Folien gezeichnet worden, die dann zu einem einzelnen Image zusammengesetzt werden.
Diese zerlegten Körperteile, die in Martin Arnolds’ Cartoons zucken und gestikulieren, suggerieren phantasmatische Anwendungen der makroskopischen Anatomie. Makroskopische Anatomie hat traditionell mit dem Zerschneiden und Analysieren von Kadavern zu tun. Ihr Ziel ist es, eine generelles Verständnis über morphologische Strukturen und die Beziehungen bestimmter Komponenten in bezug auf die gesamte Funktion des Körpers zu entwickeln.[i] Arnolds’ Cartoons generieren einen leicht perversen anatomischen Atlas geisterhafter Körperteile, phantasmatischer Körper und dynamischer Korpora, die die Eventualität und Porosität von Körpern in den Vordergrund stellt. (…) Die Strukturen des Möbius Strip Loops lassen eine erschreckend intensive Gegenwart entstehen. Diese endlose Wiederholung beschreibt Arnold als “Hamsterrad Effekt”.[II] In einem erschöpfenden Kreislauf geht es immer wieder rundherum, ohne Ausweg, Ende, oder Lösung: das Spektakel geisterhafter Glieder bleibt in einer
geisterhaften Vorhölle stecken.
[I] In der Gechichte der Animation spielte die makroskopische Anatomie eine zentrale Rolle, ganz besonders in den Disney Studios, die Naturforscher anheuerten, um dort vor versammelter Mannschaft, die gerade an Bambi (1942) zeichneten, echte Rehkadaver zu zerlegen. Siehe dazu auch “Dissecting Bambi,” The Velvet Light Trap 69 (2012): 13.
[II] Gespräch mit dem Martin Arnold, Zagreb, 14 December 2012.
*1959 in Wien. Studium der Psychologie und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Seit 1988 freischaffender Filmemacher und Künstler.
Internationale Bekanntheit durch eine Reihe von 16mm Filmen, u. a. pièce touchée (1989), passage á l’acte (1993) und Alone. Life Wastes Andy Hardy (1998). In den letzten Jahre entstanden Videoarbeiten wie Shadow Cuts (2010) oder Haunted House (2012). Vertreten bei einer Reihe internationaler Filmfestivals (z. B. Cannes, Rotterdam, New York) und in Cinematheken (u. a. Centre Georges Pompidou, Cinèmathéque Royale in Brüssel, Tate Modern und MoMa in New York) oder in Ausstellungshäusern (wie dem Barbican Art Center in London, dem Witte de With in Rotterdam, bei Bozar in Brüssel, dem Kunsthaus Zürich oder dem Hamburger Kunstverein).
Zahlreiche Gastprofessuren, u. a. 1996/97 am San Francisco Art Institute, 1998/99 an der Städelschule in Frankfurt, 2000/01 am Bard College in New York und 2008 bei CalArts in Los Angeles.