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BAND 235, 2015, TITEL: KUNSTURTEIL, S. 124
Matthias Held, Organisator
Matthias Held studierte an der Münchner Kunstakademie. Nach seinem Umzug nach New York war er Partner der Produzentengalerie LOK, 1995 gründete er dort eine Medienagentur. Seit 2010 lebt Held in Berlin und hat seitdem 18 Ausstellungen mit international renommierten Künstlern in wechselnden Räumen organisiert.
Christiane Meixner: Herr Held, Sie organisieren seit 2010 in Berlin Ausstellungen. Erst haben Sie in Ihrer Wohnung, dann an wechselnden Orten Arbeiten von Rosemarie Trockel, John Bock, Manfred Pernice oder Saadane Afif gezeigt. Trotzdem möchten Sie nicht Kurator genannt werden. Weshalb?
Matthias Held: Ich vermeide die Rolle des Kurators, um mich komplett zurückzunehmen und die Künstler sprechen zu lassen. Um ihnen den Raum zu geben, den ein Kurator wie Nicolas Bourriaud ihnen weggenommen hat. Künstler können sich am besten selbst beurteilen und wissen genau, welche Strategien anzuwenden sind. Insofern höre ich ihnen am liebsten zu. Es gibt aber für jedes Projekt eine Art Reizwort, aus dem heraus ich die Ausstellungen gemeinsam mit den Künstlern entwickle. Das ist ein Prozess und die Partizipation der Künstler ausschlaggebend.
Nach welchen Kriterien laden Sie die Künstler ein?
Ich stehe in regem Austausch mit Künstlern, die hier in Berlin leben und durch die sich immer wieder neue Kreise aufmachen.
Und woher stammen die sogenannten Reizwörter?
Das sind Themen, die in der Luft liegen und sich manchmal mehr zufällig verdichten. Es gab im vergangenen Jahr zum Beispiel ein Gespräch mit einem Freund über die Nahtstelle, an der sich das Narrative formalisiert oder umgekehrt das Formale narrativ wird. Daraus entstand die Idee, mit Andy Hope 1930 zu arbeiten, für den ersteres das offensichtliche Vorgehen ist. Bei Manfred Pernice verhält es sich scheinbar genau umgekehrt. Was passiert, wenn man die beiden zusammenbringt? Es hat gedauert, aber dann haben wir die Ausstellung ganz unspektakulär und dennoch mitten in der Öffentlichkeit in einer leeren Warenfläche im Bikini-Haus realisiert. Zehn Tage lang und mit Martin Staedeli als einem weiteren Künstler.
Gab es auch schon Künstler, die gesagt haben: Danke, ich möchte dein Thema nicht illustrieren?
Das gab es noch nie, weil genau verstanden wird, dass es so nicht ist. Es gibt keine These, sondern einen wechselnden Raum, der die Öffentlichkeit, in der wir uns alle bewegen – und da wären wir wieder bei Bourriauds Begriff der relational aesthetics für eine Kunst der Ereignisse und sozialen Prozesse – in eine Privatheit zu bringen versucht. Heute ist quasi der Ohrensessel als Metapher für das sogenannte Private nonkonformistischer als das Öffentliche. Das kann sich auch wieder ändern, aber momentan habe ich den Eindruck, dass sich viele Künstler nach einer Art Halböffentlichkeit sehnen, aber nur die wenigsten von ihnen eine Ausstellung im eigenen Atelier machen möchten.
Sehen die Künstler Sie nicht auch in der Rolle des Kurators?
Nein, aber sie provozieren gern diese Rolle. Saadane Afif zum Beispiel hat diesen Fehdehandschuh des Kuratierens aufgenommen. Wir hatten über die Idee gesprochen, William Copleys Edition „S.M.S.“ von 1968 zu zeigen. Afifs Bedingung war, dass ich die Arbeiten aus der 76-teiligen Edition aussuchen sollte. Mein scheinbares Kuratieren war somit eine Anordnung von Afif und damit Teil seiner Arbeit. Zudem ist Kuratieren kein schickes Aussuchen und Nebeneinanderhängen von rot und grün. Die Bezeichnung Kurator verdient ausschließlich eine Person, die hart wissenschaftlich arbeitet oder selber Künstler ist. Ich initiiere lediglich einen Prozess.
Ein Kurator fällt ja Urteile. Ich frage mich, ob Sie versuchen, dieser Rolle zu entkommen?
Ich fälle definitiv keine Urteile. Ich sage natürlich schon, was mir persönlich gefällt, aber nur in der Diskussion.
Weshalb ist das wichtig?
Weil es für mich interessanter ist, den Kuchen mitzubacken, als permanent zu sagen: Der Kuchen schmeckt gut oder schlecht. Das ist nicht meine Rolle.
Aber Sie setzen den Rahmen. Etwa wenn Sie anfangs Ihre Wohnung zur Verfügung stellten. Wie haben die Künstler auf diese Privatheit reagiert?
Komischerweise gar nicht. In Wohnungen auszustellen, ist für Berlin ja schon ein Klassiker. Wichtig war mir aber, mit etablierten Künstlern zusammen zu arbeiten, weil es nicht um die Entdeckung neuer Positionen geht. Sondern um die Notwendigkeit, einen Freiraum zu schaffen. Auch wenn das eine naive, idealistische Konstruktion ist. Heldart ist kein projekt room, der irgendwann zur Galerie werden will. Ich verkaufe, handele und zeige auch keine Privatsammlung. Im Galeriekontext fallen ja ständig Urteile durch die, die kaufen, und Galeristen und Künstler adaptieren ja auch Strategien, um zu verkaufen. Aber da gibt es noch diese andere Ebene, selbst beim kommerziellsten Künstler.
Heldart ist demnach der Ort, wo das Urteil vor der Tür bleiben soll.
Es findet keine Wertung statt. Raum und Urteil funktionieren zueinander wie eine Drehtür. Diskurse anzustoßen, ist der Mehrwert. Dass Künstler sich wohl fühlen, aber auch gefordert werden. Es muss diese kleinen Zellen geben. Toll wäre es, wenn sich aus einer der Ausstellungen ein Thema verdichtet, mit dem die Künstler den institutionellen Diskurs stärker selber bestimmen. Das würde mich freuen.